Wenn man durch den Maurer Wald geht, stößt man vielerorts auf geschichtsträchtigen Boden. Unsere Wanderung beginnt an der Ecke Weixelbergergasse und Rudolf-Waisenhorngasse.

Blickt man von dort in Richtung Rodauner Bergkirche oder Burg Perchtoldsdorf, steht man genau an jenem Ort, wo vor rund 12 Millionen Jahren die Küste eines tropischen Meeres verlief. Mathias Harzhauser vergleicht in seinem Buch „Wo die Mammuts grasten“ diesen Ort mit Dubai: “45°C, kein Wind, das Meer bietet keine Abkühlung – doch der Anblick ist traumhaft. Schnee­weißer Strand, soweit das Auge reicht, strahlend blaues Wasser, in dem das Sonnenlicht glitzert. Im seichten Meer konnte man unbesorgt schwimmen: Es gab keine Haie, keine Seeigel und keine nässelnden Korallen, die das Badevergnügen trübten.”

Dreht man sich nach rechts, sieht man den Eingang in den Wald, wo ein Mistkübel an einer Stange hängt. Schaut man die Stange genauer an, erkennt man ganz oben die Spuren einer früheren Tafel, wo stand: „Ruinengelände – Betreten verboten“. Das war in den sechziger Jahren der Lieblingsspielplatz vieler Baby­boomer, die in den Ruinen des ehemaligen Ba­rackenlagers der Luftnach­richten­truppe herumkletterten. Heute befindet sich dort nach wenigen Metern der große Parkplatz – einst der Kasernenplatz, der von Holz­ba­racken umgeben war.
Auf dieser Website findet man unter Links die Zeitschrift „Der Blick in die Vergangenheit von Mauer“. Gleich im ersten Heft gibt es auf den Seiten 15-17 einen Beitrag über das Barackenlager der Luftnach­richten­truppe, der einen guten Eindruck von der damaligen Anlage vermittelt.

Folgt man dem Weg bis zum Parkplatz – heute begrünt und durch aufgeschüttete Schwellen strukturiert – und hält sich beim Biotop links, führt der Weg entlang des Weingartens. Hier sind noch Mauerreste von Flakstellungen zu erkennen, die sich einst über den ganzen Hang Richtung Rodaun erstreckten. So wandert man in wenigen Schrit­ten von Zeug­nissen eines 12 Millionen Jahre alten Meeres zu Spuren des Zweiten Weltkriegs, der erst vor 80 Jahren en­dete.

Doch schon bald erinnert die Landschaft wieder ans Meer: Der Weg führt parallel zur ehemaligen Durchzugsstraße In der Klausen zur Himmelswiese. Hier fallen die prächtigen Föhren auf. Wie Hans Steiner in seinem Buch „Föhrenberge“ erklärt, bildete sich im Gebiet In der Klausen Kalkstein – idealer Boden für Föhren. Nördlich davon entstand Sandstein, auf dem der typische Mischwald des Wienerwaldes gedeiht, der rund vier Fünftel seiner Fläche ausmacht. Oben angekommen, genießt man nicht nur den herrlichen Blick auf Kalks­burg (Kalk!), sondern kann über einen wunderschönen Ser­pen­tinenweg durch den Föhren­wald Richtung Klausen absteigen.

Dort kommt man an einem Kalk­riff (1  2  3) vorbei, in dem sich deutlich Muschelabdrücke erkennen lassen. Geht man die Klausen wieder hinauf, erreicht man den ehemaligen Parkplatz mit dem Denkmal für Ing. Hannes Minich, der zahlreiche Grün­räume in Wien gerettet hat.

Erstaunlich ist, dass dieses heute so beliebte Naherholungsgebiet vor wenigen Jahrzehnten noch militärisches Sperrgebiet war. Selbst der Pappelteich – ein Nationalheiligtum vieler Maure­rinnen und Maurer („Mauer liegt am Pappelteich, und rundherum liegt Österreich“) – wurde einst als Militärschwimmbecken eingemauert und ist bis heute dadurch etwas verunstaltet. Es ist Be­zirksvorsteher Gerald Bischof zu danken, dass dieses Wahrzeichen Mauers nicht längst öd und ausgetrocknet ist, hat er doch kurzerhand eine Wasserleitung verlegen lassen, um immer für einen passenden Wasserstand zu sorgen. Hier sehen Sie auf Seite 7, wie der Pappelteich früher aussah.

Wer mag, kann kurz zum Pappelteich gehen oder gleich den Weg Richtung Gasthof Zur Schießstätte nehmen. Dabei kommt man an der Antonshöhe vorbei, einem weiteren historischen Meilenstein im Maurer Wald (1 (S. 18)  2 (S. )  3 (S. 14-17)  4 (S.17-18). Ein Blick in die Büsche rechts vor der Antonshöhe lohnt sich: Dort sind noch Reste der einst imposanten Bildereiche (Titelseite) zu sehen. Siehe auch hier auf den Seiten 8 und 9. Sie erinnern daran, dass auch der größte Baum irgendwann zerfällt – und dass der Baumkult, ursprünglich ein keltischer Brauch, von der christlichen Kirche übernommen wurde und uns die Tradition des Weihnachts-, Richt- und Maibaums geschenkt hat. Hinter der Antonshöhe steht heute die neue Bildereiche. Noch ist sie nicht so prächtig wie die alte, doch die Tradition des Baumkults lebt fort. An der alten Bildereiche hing einst ein großes Bild, angeblich von Kaiserin Elisabeth gestiftet. Sie soll mehrfach die „Waldandacht“ besucht haben. Daher wurde der Weg entlang der ehemaligen Kasernenmauer (bei der Hundewiese) damals Elisa­beth­allee genannt.

Wer kurz nach der ehemaligen Waldandacht zur Antonshöhe vom Weg links abzweigt, gelangt in eine noch tiefere geologische Vergangenheit. Folgt man dem steilen Weg hinunter, sieht man rechts – heute stark verwachsen und verfallen – eine Juraklippe aus der Zeit vor 190 bis 135 Millionen Jahren, als die Dinosaurier lebten (das Wort „Jura“ steckt auch in Jurassic Park). An der oberen Kante des Felsens stand früher ein Pavillon (siehe hier Seite 15 ). Bleibt man oben und folgt dem Weg links entlang der Geländekante, findet man rötliche Hornstein-Kiesel, die bereits in der Jungsteinzeit – vor etwa 7500 Jahren – abgebaut wurden. Mit etwas Geschick kann man auch heute noch Pfeilspitzen aus diesen scharfkantigen Steinen fertigen. Bleibt man unten und passiert die Juraklippe, gelangt man zur Abbruchkante eines alten Steinbruchs, der bis in die 1930er-Jahre in Betrieb war. 1936 arbeiteten dort noch zwölf Personen, 1938 nur mehr vier. Kaum vorstellbar heute: Um 9 und 11 Uhr ertönte ein Pfiff – das Signal für eine Sprengung. Spaziergänger mussten sich hinter Bäumen in Deckung bringen! Siehe hier auf Seite 8.

Außer Mittwoch und Donnerstag (Ruhetage) lohnt sich der Besuch des Gasthofs Zur Schießstätte. Hinter dem Haus erkennt man Erdwälle, die an den ehemaligen Schießplatz erinnern. Siehe hier auf Seite 4. Vor dem Gasthof gibt es ein Denkmal für Dr. Josef Bayer, den damaligen Direktor des Naturhistorischen Museums. Er leitete die Aus­grabungen jener Steinzeit­gräber, die man hier fand. Eines mit Erwachsenen, Kindern und entsprechenden Beigaben. Damals gab es darüber großes Aufsehen. Siehe hier Seite 18. Den meisten Maurerinnen und Maurern ist es wohl recht, dass daraus keine große Ausgra­bungsstätte oder ein Steinzeit­museum wurde. Man lässt die Toten ruhen – das gesamte Gebiet ist heute Schutzzone (Naturdenkmal Nr. 441)und Grabungen sind verboten. Geht man vom Gasthof zurück und biegt bei der großen Weggabelung links, dann bald wieder rechts ab, erreicht man das Gelände der ehemaligen Flieger­abwehrkaserne (S.16-18), die nie fertiggestellt wurde. Manche Maurer Militärfreunde erzählen bis heute mit leuchtenden Augen von angeblichen Waffen, die in den weitläufigen Kellern (siehe den Bunkereingang hinter der Wotrubakirche) verborgen sein sollen – ähnlich wie das sagenumwobene Gold der Nazis im Toplitzsee …

Über hundert Jahre lang war Mauer vom Militär geprägt – darauf weist auch die Kaserngasse hin, die einst die obere (siehe hier Seite 16) und untere Kaserne (siehe hier Seite 17 und 18) verband, sowie die geplanten Fliegerabwehrkaserne am Georgenberg und das gegenüberliegende Barackenlager (heute Parkplatz). Umso schöner ist es, dass am Georgenberg heute die Wo­trubakirche steht – ein beeindruckendes Friedenssymbol. Statt nach Flugzeugen, die man abschießen will, schaut man wenige Meter weiter Richtung Süden nun in den Himmel, um Sterne im Sterngarten zu beobachten. Folgt man der Anton-Krieger-Gasse ein Stück bergab, gelangt man zum Eingang des heutigen Parkplatzes – einst Kasernenplatz. Die beiden mächtigen Säulen markieren die letzten Überreste des seinerzeit streng bewachten Eingangs. Über den Parkplatz kommt man schließlich wieder zum Ausgangspunkt dieses rund zweistündigen Spaziergangs durch den Maurer Wald – ein Gebiet, das vielleicht noch mehr Geheimnisse birgt als preisgibt.

Für vertiefende Lektüre empfehlen sich:

– Thomas Hofmann & Mathias Harzhauser: Wo die Mammuts grasten
– Hans Steiner: Föhrenberge
Hören Sie auch die Podcasts mit Ing. Hans Steiner und Dr. Mathias Harzhauser: